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Warum fahren Sie eigentlich in den Urlaub? Weil es dort warm ist, während es hier zu kalt ist? Haben Sie Rheuma? Nein? Weil es doch so schön entspannend ist, aus seinem Alltag zu entfliehen, statt den ganzen Nervkram mal anzupacken? Weil es Tradition ist, in ferne Länder zu fahren – das haben die Imperialisten doch auch schon gemacht. Weil wir das ganze Jahr so hart arbeiten, um uns diesen langersehnten Trip zu leisten.
Da können Sie dann mal Chef sein und sich von anderen bedienen lassen, statt selbst zu kochen und zu putzen. Kann ich auch alles verstehen, wenn Sie mehr als 40 Stunden die Woche ackern gehen. Im Urlaub sammelt sich dann leider wieder etwas Speck an, aber den können Sie ja im Fitnessstudio runterlaufen. Dieser Körperkult hat nichts mehr mit Gesundheit zu tun, und was Sie da tun, ist kurz gesagt: davonlaufen. Weit weg – aus Ihrem eigenen Leben, wo Sie Ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr ertragen müssen. Am liebsten mit Wahlfreunden, von denen Sie aber schon am Anreisetag genervt sind. Doch am allerliebsten mit dem Haustier, das endlich den Duft der Freiheit schnuppern darf – aber nur an der Leine, versteht sich ja von selbst. Zynisch? Den Grünen hören wir aber nicht so gerne zu.
Ich will Ihnen ja Ihre Freude nicht nehmen, aber glauben Sie ernsthaft, dass es Sinn macht, derart weite Strecken zurückzulegen, um den Kopf frei zu kriegen? In diesen drei Wochen haben Sie sich wieder selbst genossen und es geschafft, alle Konsequenzen von sich zu weisen. Klasse. Ich applaudiere. In diesen drei Wochen Sonnenurlaub haben Sie noch mehr CO2 verbraucht als sonst im Jahr. Sie sind hoch geflogen mit Ihrer Flugangst. Sie haben besonders gut gespeist, aber leider Durchfall von den Gewürzen bekommen. Sie haben einen Sonnenbrand, der die Haut schuppen lässt und Sie etwas näher an Hautkrebs heranführt, als Sie es wahrhaben wollen. Und dann haben Sie noch das Bild eines weißen westlichen Urlaubers in den Köpfen der Einheimischen gefestigt. Die tun übrigens nur freundlich; eigentlich wollen die keine Fremden, nur die spendablen, mit viel Geld. Nein, nicht alle. Verallgemeinern tun wir so ja nicht. Nur wenn wir vorschnell über die Nachbarn urteilen.
Und dort sind Sie dann rumgelaufen mit Ihrem Smartphone und haben Bilder von dem letzten Affen gemacht, den es dort noch gibt – irgendwo im Dschungel. Hat er Ihnen das Eis weggenommen?
Aber mal ernsthaft, was ist das nur für ein ungesunder Trend? Weshalb machen das immer noch so viele? Und wem hilft das, sich nach drei Wochen Gedankenpause wieder seinen tristen, aber hübsch bemalten vier Wänden zu widmen? Aber kein Problem, dann wird einfach der Winterurlaub geplant. In den kalten Tagen wollen alle auf einmal den Schnee aus der Kindheit zurück – ab auf die Piste. Da zahlen wir dann noch mehr als im Sommer für die Hälfte der Zeit. Das war nicht geplant, aber Abriss muss sein. „Man gönnt sich ja sonst nichts“. Tagespass für eineinhalb Wochen plus Unterkunft und Verpflegung, bei knapp tausend Euro, war zwar nicht geplant, aber es gibt ja den Dispo auf dem Konto.
Hören Sie einfach auf, sich zu beschweren. Ist doch alles toll. Gönnen Sie sich das alles. Machen Sie nur, aber tun Sie nicht so, als würden Sie nachhaltig leben. Tourismus hat einen riesigen ökologischen Fußabdruck hinterlassen – Korallenriffe vertragen vielleicht einige tauchende Menschenmassen, aber eben keine Kreuzfahrtschiffe. Und das wissen wir jetzt, nachdem die Dinger seit Jahrzehnten durch die Meere schippern. Jetzt wissen wir auch, dass wir Venedig wieder hochpumpen müssen, wegen unserer Untaten.
Aber wahrscheinlich zu spät. Und warum fragen mich immer so viele, ob die das alles nicht gewusst hätten? Verdrängung ist doch eine ziemlich gute Überlebensstrategie. Urlaub auch.